Musiklehrer-Thema Begabung/Üben 30.4.09

Sehr geehrte Frau Birkenbihl, als Intro für den online-Kurs "Vera F. Birkenbihls Erfolgskurs" auf "coach yourself tv", zitieren Sie eine Studie zum Thema Begabung/Üben. Ich paraphrasiere:"Wer 10000 Stunden geübt hat, hat die Chance solistisch erfolgreich zu werden, wer 8000 Stunden geübt hat wird Orchestermusiker und wer noch weniger geübt hat (und deswegen auch nicht so gut ist) wird halt Lehrer."
======== erstens zitiere ich das neue buch von malcom GLADWELL, der wiederum eine studie von anders ericsson referiert, der es so darstellt, weil das die erfahrung gezeigt hat, daß 80% derer in dieser dritten gruppe ERFAHRUNGSGEMÄSS später musiklehrerInnen werden. sorry, Sie sind vielleicht eine ausnahme, aber wenn man jahrelange studienergebnisse nicht beschreiben darf, dann kann man über forschung nicht berichten. natürlich gibt es immer einzelne lehrer, in jedem fach, aber die zahl der weniger fähigen lehrer pendelt insgesamt immer noch zwischen „mehr als 50%“ und 2/3, je nach schule... auch die tatsache, daß wir so viele klagen über lehrer erhalten, die ihr fachbuch, nicht aber ihr fach beherrschen, sowohl von schülerInnen als auch von eltern, spricht eine klare sprache. gerade musikunterricht artet, wie wie immer wieder erfahren, leider allzu oft in zuviel musik-THEORIE aus, und wird dann ähnlich unangenehm wir zuviele grammatik-übungen (die nachweislich keine meisterschaft in der sprache schaffen) oder zuviel vokabeln pauken. ähnlich wie sportunterricht oft vor allem im WARTEN besteht, bis man über den bock springen darf - und das in der stunde, in der man sich BEWEGEN sollte. es gibt noch sehr viele lehrkräfte, die SUBOPTIMAL arbeiten. es ist schade. das ist so ähnlich wie bei den leuten im mediz. bereich, die angst davor haben, über fehler zu diskutieren und so weitere „pannen“ (iatrogene schwere krankheiten, lähmungen und todesfälle) in kauf nehmen (es gibt hier natürlich eine dunkelziffer, aber man rechnet mir ca. 20.000 toten p.a. in detuschland und ca. 98.000 in den usa, und das seit vielen jahren). das ist auch HART, ich weiß, aber es gibt wirklich dinge, DIE WIR ZU LANGE TOTGESCHWIEGEN HABEN, weil es tabu ist, dinge beim namen zu nennen. ich kann mir durchaus vorstellen, daß Sie selbst zu jenen lehrern gehören, die besser sind, aber Anders ERICSSON hat ja nicht behauptet, daß 80% alle musiklehrer zur 3. gruppe gehören, sondern daß 80% jener, die in Gruppe 3 sind, später ERFAHRUNGSGEMÄSS lehrer werden - quer durch alle fächer, das gilt also in bereichen wir naturwissenschaften, muttersprache, mathe etc. genau so. und der mann hat studien über den ganzen globus verteilt angestelt, seit weit über 15 jahren, abertausende von menschen. ich habe also einen autor zitiert, der eine studie aus berlin vorstellt, die ERIKSSON mit dem MAX-PLANCK-INST. durchgeführt hat, weil er in allen ländern mit regionalen wissenschaftlern zusammenarbeitet. vielleicht wollen Sie ihn mal googlen? es gibt jede menge literatur von ihm...

Ich bin selbst professioneller Musiker/Musiklehrer und habe eben ausgerechnet, dass ich allein in der Zeit meines Studiums fast 10000 Stunden geübt habe (und zwar mit Zielbewusstsein, gehirn-gerechten Methoden usw) Und die Mehrzahl meiner Kommilitonen hat das mit Sicherheit auch. Keiner ist (ausschliesslich) Solist, einige wenige haben eine Anstellung in einem Orchester, die meisten sind Freelance-Musiker oder Lehrer.Ich verstehe, dass sie sagen wollen, dass man zunächst Arbeit sähen muss, bevor man ernten kann. Ihre Darstellung ist jedoch recht einseitig. Ob jemand aber erfolgreicher Solist wird hängt auch von sehr vielen Faktoren ab. Da wären z.B. Kontakte, die richtigen Lehrer zur richtigen Zeit, Vermarktung, Zeitgeist, Durchsetzungsvermögen, Nervenstärke um nur einige wenige zu nennen.
======= tja, ich erlebe leider immer wieder das gegenteil und zwar auf allen gebieten. redner, die ihre reden nicht einmal vorab einige male laut vorlesen und sie deshalb in der öffentlichkeit nicht einmal vorlesen könen (fast täglich auf phoenix zu sehen) von rednern, die frei sprechen, ganz zu schweigen. wenn ich rhetorik-seminare mache, findet man es immer äußerst befremdlich, daß ich davon ausgehe, daß man eine rede vorher ÜBEN sollte. dasselbe passiert bei seminaren über das SCHREIBEN, wieso soll man einen text überarbeiten, skizzen zu neuen themen machen und arbeit investierten? in der schule hat man die aufsätze doch auch immer nur einmal geschrieben. dasselbe gilt für verkäufer/innen, die die idee, man könnte verkaufsgespräche ÜBEN genauso befremdlich finden usw unw. dieser beitrag spiegelt ein wenig meines ZORNES wieder, weil man in deutschland genau wie in den usa einfach davon ausgeht, daß es leute mit begabung gäbe, denen alles zufliegt, und dann gibt es den rest, der dann mit NEID auf diejenigen blickt, die sich ihren erfolg hart erarbeitet haben. bisher bekam ich übrigens sehr positive reaktionen auf diesen beitrag, übrigens auch von lehrkräften. manche meinten, sie fühlten sich ertappt und wären sehr nachdenklich geworden, einigen wurde klar, daß man die notwengigkeit zu echtem üben den schülern in der regelschule kaum vermitteln könne, daß meist nur die bildungsnahen das zuhause lernen (ein musikinstrument, eine sportart ernsthaft betreiben etc.) und manche meinten, daß sie den eltern ihrer schülerInnen den beitrag empfehlen wollten, denn auch viele eltern sind ähnlich programmiert, wie GLADWELL es für durchschnitts-amerikanerInnen beschreibt.

Viele Orchestermusiker üben während des Studiums vor allem Orchesterstellen die im Probespiel benötigt werden. Fertig. Und wenn man in ein bestimmtes Orchester will, muss man auch an der "richtigen" Hochschule, beim "richtigen" Professor studiert haben, sonst hat man von vornherein fast keine Chance. Hier kommt es viel auf Kontakte an.Zu behaupten dass Orchestermusiker mehr üben oder besser spielen als spätere Pädagogen ist nicht nur falsch sondern auch eine Unverschämtheit. Oft findet sich bei Pädagogen eine grössere Bandbreite bzw. schlicht ein anderes Ziel als Orchestergraben. Ich z.B. spiele auch sehr gut im klassischen Orchester, und nebenbei noch Kammermusik in wechselden Besetzungen, als Solist, in einer Jazz-Combo, Bigband usw. NEBEN den 10000 Stunden im Studium habe ich mich noch intensiv mit dem Thema Lernen/Lehren/Unterrichten ausseinander gesetzt, Pädagogik studiert, Einzelunterricht, Gruppenunterricht, unzählige Stunden bei anderen Lehrern hospitiert, Ensembleleitung studiert, etwas Psychologie studiert (stichwort Lampenfieber), eine Ausbildung in Alexander-Technik gemacht (gute Spielhaltung) etc. Sie stellen es jedoch so dar, dass diejenigen, die Musiklehrer werden, halt einfach nicht gut genug sind und das ärgert mich masslos!
======== ich habe eine studie zitiert. wenn Ihnen die ergebnisse nicht passen, könnten Sie sich beim urheber (ERIKSSON) beschweren, es gibt einige leute, die ihm regelmäßig auf die hucke hauen, weil sie seine ergebnisse anzweifeln, da sind Sie dann in guter gesellschaft. aber Sie sind hier im begriff, den überbringer der nachricht anzugreifen, indem Sie so tun, als stammten diese aussagen von mir persönlich. das finde ich auch schade.

Ich bin ein grosser Fan ihrer Arbeit und benutze viele Ihrer Methoden. Ich wäre froh, wenn dieses Video entfernt würde, bzw. wenn Sie die Sache klarstellen würden.
====== ich habe mir viel zeit genommen, um auf Ihren angriff einzugehen. im übrigen wäre es interessant, wenn Sie eines jener stücke, das für die musik-prüfungen (abschluß des studiums) gespielt werden muß, bei YouTube vorspielen würden, um zu zeigen, daß ich unrecht habe und wie toll Sie das spielen können. es würde 1. Ihre aussage unterstreichen und 2. für alle jene ein vorbild sein, die tatsächlich weit weniger als 10.000 std. geübt hatten, wie Sie. anzunehmen, daß das die meisten Ihrer kommilitonen auch getan haben, halte ich für unrealistisch. aber es könnte ja jede/r musiklehrerIn., der/die lust hat, mitzumachen, beweisen, daß ERIKSSON unrecht hat. das könnte interessant werden, oder?
vfb

Herzliche Grüsse,

Daniel Mihajlovic