NORBERT ELIAS 15.8.06

guten tag frau birkenbihl, erstmal lobe ich die beteiligten und sie für die wandzeitung. so direkt und schnell mit autoren zu kommunizieren, habe ich bisher in meinen langen leben :) noch nicht kennengelernt.
==== auch ich habe manche herbe enttäuschung hinter mir, was den versuch, mit anderen autoren zu kommunizieren angeht. die ersten, als ich noch ein „niemand“ war z.b. wollte ich beim schreiben meines streß-buches, 1975, kontakt mit herrn Vester aufnehmen, was seine damen (ehefrau und tochter) mit der bemerkung „da könnte ja jeder kommen“ vereitelten, und das, wiewohl ich gesagt hatte, daß ich ein buch schrieb, ihn zitieren würde und bezüglich seines textes eine konkrete fachliche frage hätte. ich nehme an, mit einem doktortitel wäre ich durchgekommen. deshalb habe ich die wandzeitung eingerichtet. allerdings leide ich heute am gegenteil, daß neue leute dies so wenig zu schätzen wissen, daß sie nicht einmal den beitrag mit der roten überschrift lesen und dann die wenigen spielregeln mißachten. aaah, schade...

Nun aber zu meiner frage: Inwiefern kennen sie den soziologen NORBERT ELIAS
===== nicht persönlich ...

bzw. sein werk?
=== natürlich, seit jahrzehnten, allerdings nur TEILWEISE, HABE selektiv gelesen, nicht sein gesamtwerk. denn er zitiert viel in den originalsprachen darunter latein, mittelhochdeutsch etc. (meist) ohne übersetzung, so daß man einige sprachen beherrschen muß, um ihn ganz lesen zu können. aber ihm verdanken wir u.a. die einsicht, daß die menschheit heute (trotz terrorismus etc.) weit WENIGER AGGRESSIV ist als noch vor einigen hundert jahren, wiewohl die medien uns oft das gegenteil glauben lassen, weil so viel über straftaten etc. berichtet wird. wir leiden also nicht an einer epidemie an gewalt sondern an einer epidemie an berichterstattung über die wenige gewalt, im verhältnis zu früher...

Er selbst spricht die frage, inwiefern sprache unser denken form an.
======= an diesen aspekt erinnere ich mich jetzt nicht direkt, aber ich las ihn vor vielen jahren und fand ihn wegen der vielen zitate schwierig, da ich z.b. die lateinischen nicht selber lesen konnte.

Auch scheint er einen ANDEREN BLICK auf die MENSCHEN zu haben. Siehe z.B. die stichworte FIGURATION, PROZESS.
======= auch FIGURATION sagt mir im moment nichts. haben Sie ein anderes werk von ihm gelesen? ich meine das zweibändige hauptwerk...

Seine name ist mir eingefallen, als sie - ich meine bei der KOPF-SPIELE-DVD - über die INSEL-METAPHER gesprochen haben. Ich verstehe ihn so: er versucht die gegenseitige abhängigkeit (nicht negativ verstanden) der menschen zu betonen, nicht die autonomie.
====== er spricht m.e. von INTERDEPENDENZ, nicht von DEPENDENZ, das ist ein großer unterschied. DEPENDENZ ist die abhängigkeit (vgl. säugling), INTERDEPENDENZ ist ein GEGENSEITIGES aufeinander angewiesen sein, aber von INDEPENDENTEN EINZELNEN MITGLIEDERN DER GESELLSCHAFT. die einsicht, daß wir INTERDEPENDENT sind fördert ein faires MITEINANDER (bewegungen wir FAIR TRADE gehören dazu) während der gedanke an DEPENDENZ dazu führt, menschen zu infantilisiieren (wie die schule das mit schülern tut!. ja keine selbständigkeit zulassen...)

Die WANDZEITUNG ist doch hierfür das TREFFENDE beispiel, oder?
====== für INTERDEPENDENZ?

Vielleicht scheint die frage für sie banal, aber ich trage die frage, wie sie wohl über elias denken, bereits länger schon mit mir herum.
======= ich fand die teile, die ich ihm damals „entnahm“ als ich ihn im hinblick auf kultur der gesellschaft und wachsendem gewaltverzicht las, sehr interessant, aber ich habe nicht alle aspekte seiner arbeit wirklich verarbeitet...

PS. Spontan fällt mir ein, dass elias sich auch mit der thematik etablierte und aussenseiter beschäftigte, da er selbst unter anderem im wissenschaftsbetrieb persönlich damit konfrontiert wurde.
======= na ja, da könnte seine schwer lesbare art etwas dazu beigetragen haben. sprachenlernen ist nicht gerade weit verbreitet in unseren breitengraden. wenn Sie mir sagen, wo er sich über sprache und denken näher ausläßt, würde ich diese textstellen gerne ansehen, es würde mich interessieren, was er dazu zu sagen hat...

Ich DANKE ihnen für ihre MÜHE wegen und trotz des wissenschaftsbetriebes.

Mfg
Andreas Albrecht